Mittwoch, 2. März 2011

Sommernächte


Erinnerst du dich noch an unseren Sommer? Ich werde ihn nie vergessen. In diesen kalten Wintertagen muss ich oft an unseren gemeinsamen Sommer denken. Ich sehe dich noch genau vor mir. Du mit deinen zerrissenen Jeans und den viel zu langen Haaren. Ich immer im gleichen gelben Kleid. Die Hälfte des Tages verbrachten wir auf der Veranda in der Schaukel. Wir mussten uns immer irgendwie berühren. Einmal mein Kopf  auf deinen Schultern, dann meine Füsse auf deinen Beinen. Am liebsten aber mein Kopf auf deinen zerrissen Jeans. Du hast dann immer meinen Kopf gestreichelt. Wir sprachen nicht viel. Wieso auch? Wir verstanden uns ohne Worte bestens.

Wenn ich auf deinen Beinen einschlief spürte ich deinen Blick. Wenn es dir langweilig wurde hast du mich mit deinen langen Fingern geweckt, die du über mein langes Haar streicheln liesst. Wir waren so unglaublich verliebt. Wir verliessen kaum das Grundstück. Die eine Hälfte des Tages im Bett, den Rest im Garten. Meistens auf der Schaukel. Den ganzen Sommer hatten wir nichts getan und uns war nie langweilig. Wir hatten nie Streit. Es gab keinen Grund dafür. Es gab nur uns. Sechs Wochen lang nur wir zwei. Diese sechs Wochen waren zu kurz.

Vermisst du den Sommer nicht? Warum konnten wir nicht einfach bleiben? Wären wir doch geblieben. Es war eine schöne Zeit. Wir hätten das Haus behalten sollen. Wir hätten es gut. Doch wir mussten zurück. Arbeiten. In der Stadt war alles so anders. Wir hatten keine Zeit. Wir sahen uns nicht oft. Und irgendwann sahen wir uns gar nicht mehr. Einfach so. Jetzt sehe ich dich manchmal mit dieser Rothaarigen Perfekten. Die Rothaarige, immer perfekt , du völlig unpassend neben ihr. Mit der kannst du bestimmt nicht sechs Wochen auf dem Land verbringen. Der Rothaarigen wäre es doch langweilig. Die weiss so was nicht zu schätzen.

Wenn sich unsere Blicke treffen lächeln wir uns scheu an. Scheu über die Schultern. Ein unbedeutendes Lächeln. So eben hast du mir so ein fremdes Lächeln geschenkt. Es ist lustig. Wir gehen in dieselben Kneipen. Du meistens mit der Rothaarigen. Ich oft alleine. Manchmal auch mit Fred, Matthias, Till oder sonst einem. Heute wieder alleine. Ich komme gerne hier hin und schreibe über Menschen, die mir in die Augen fallen. Heute zum ersten Mal über dich. Damals im Sommer habe ich nicht einmal einen Stift in die Hand genommen. Ich hatte keine Zeit. Du warst meine Geschichte. Du warst mein Abendteuer. Ich brauchte keine Geschichten zu schreiben um mich zu unterhalten. Heute bist du wieder meine Unterhaltung. Heute mit ganzen Jeans. Du trägst wahrscheinlich sogar Unterwäsche.

Du hast bemerk, dass mein Blick immer wieder zu euch wandert. Du willst dich zu mir setzen. Ich sehe es dir an. Du willst deine Rothaarige nicht stehen lassen. Kann ich verstehen. Du würdest wohl gerne wissen was ich in mein Heft kritzle. Die fünfte Flasche Bier vor meinen Augen ist leer. Ich stehe auf und gehe zur Bar. Dort bestelle ich ein neues Astra. Du stehst neben mir. Du schaust mich zum ersten Mal richtig an. Du lächelst und gibst mir ein Zeichen, das ich nicht verstehe. Ich setzte mich an meinen Tisch und schreibe weiter.

Erst später verstehe ich das Zeichen. Ich dachte schon, du seihst gegangen. Doch du bist zurückgekommen. Hast wohl deine Rothaarige ins Taxi gesteckt. Jetzt kommst du auf mich zu mit einem grossen Grinsen. Einem neuen Grinsen. Ein Grinsen, das ich noch nicht kenne. Du fragst, wie es mir denn gehe, Ich antworte standartgemäss „gutgut.“ Wir kommen ins Gespräch. Zuerst zögerlich. Doch nach der vierten Runde Tequila Shots werden wir langsam zutraulich und sprechen vom Sommer. Je später der Abend, desto intimer das Gespräch. So gegen drei sprechen wir von unseren gemeinsamen Nächten. Wir sind uns einig. Diese Nächte waren einzigartig. Einfach gut.
Warum nicht noch ein letztes Mal so eine Nacht? Wir finden keine Ausrede. Wir werfen Geldscheine auf den Tisch vor uns, wahrscheinlich viel zu viel, und verlassen lachend das Lokal. Zu dir oder zu mir? Ja, klar zu mir, die Rothaarige ist ja bei dir. Ich schliesse mein Fahrrad auf und du fängst an zu lachen. Sollst du etwas hintendrauf steigen? Ich habe nichts dagegen. Du kannst nicht mehr aufhören zu lachen. Wir radeln also so zu zweit durch Hamburg und haben’s gut.

Kaum im Schlafzimmer sind wir halbnackt. Es ist gut. Nicht so wie früher. Anders. Aber gut.
Danach zünden wir einen Joint an. Du sagst du hättest seit dem Sommer keinen mehr geraucht. Du findest den Stoff gut. Wir schauen uns das einzige Foto vom Sommer an. Wir lachen. Es ist uns unangenehm wieder im gleichen Bett zu liegen. Wir rutschen ein wenig voneinander weg. Irgendwann tust du so also ob du schläfst. Ich drehe mich zur Seite und versuche nicht zu denken. Irgendwann schlafe ich ein.

Der Morgen bringt Kopfschmerzen und ein schlechtes Gewissen. Du liegst immer noch neben mir. Jetzt wirklich schlafend. Ich stehe auf und gehe ins Bad. Ich hoffe ich muss mich nicht von dir verabschieden. Ich dusche so schnell wie möglich und zieh mir irgendwelche Kleider an. Bevor ich gehe, sehe ich dich noch einmal genau an. Du öffnest die Augen. Schliesst sie aber gleich wieder, weil du bemerkt hast, dass ich gehe. Ich trete zur Tür hinaus und lache. Ich lache unbeschwert und fröhlich. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen